Dass der Klimawandel in vielen Teilen der Welt bereits drastische Auswirkungen zeigt, ist – von einigen Unbelehrbaren oder ideologisch Verblendeten abgesehen – unbestritten. Dass er aber auch bereits bei uns zu großen Veränderungen geführt hat und in Zukunft führen wird, zeigt der Autor und Präsident der Stiftung NatureLife-International sehr eindringlich und anhand einer Vielzahl von Beispielen.
So berichtet Hutter von der Ausbreitung krankheitsübertragender Insekten, die bis jetzt in unseren Breiten weitestgehend unbekannt waren. Dazu gehört die Gelbfiebermücke, die unter anderem das Dengue-Fieber verbreitet, aber auch Infektionen übertragende Zeckenarten, die aufgrund der steigenden Durchschnittstemperaturen hier nach und nach heimisch werden. Ein weiteres Problem, so Hutter, sei die Verbreitung hochallergener Pflanzen, wie beispielsweise Ambrosia, die bis in den Herbst hinein blüht und den Allergikern das Leben zur Hölle machen kann.
Ein zentrales Thema ist auch die Landwirtschaft und alle damit verbundenen Probleme, wie Überdüngung, Pestizideinsatz, Saatgutmonopolisierung und anderes mehr. Der Autor stellt die Frage, wie es zu schaffen sei, „die prognostizierte Anzahl von 9 Milliarden Menschen zu ernähren und gleichzeitig Rohstoffe für Energie auf dem Acker anzubauen?“ Dabei unterschlägt er leider die Tatsache, dass nicht nur die Produktion der Nahrungsmittel ein Problem darstellt, sondern vor allem ihre gerechte Verteilung. Denn bereits mit den heute produzierten Nahrungsmitteln wäre es möglich, die Anzahl der Menschen, die voraussichtlich im Jahr 2050 auf der Erde leben werden, zu ernähren. Aber noch immer landen allein in Deutschland jedes Jahr zwischen 10 und 15 Millionen Tonnen Nahrungsmittel auf dem Müll.
Beim Thema Energieversorgung propagiert Hutter in erster Linie und zu Recht das Einsparen von Energie und zeigt die Probleme der alternativen Energiegewinnung, wie Landschaftsverbrauch, Gefahr für Wildtiere, u.a. Aber er geht in diesem Zusammenhang zu wenig darauf ein, wie die Energiegewinnung der Zukunft konkret aussehen könnte und dass sie vor allem dezentral organisiert sein müsste. Denn natürlich ist es auf längere Sicht keine Lösung, immer größere Flächen, sei es auf dem Land oder offshore, mit immer mehr Windkrafträdern zu bebauen.
Darüber hinaus weist der Autor auch vehement auf die Probleme der zunehmenden Mobilität und die damit verbundene CO2-Produktion hin. Das betrifft natürlich im Besonderen unser Urlaubsverhalten und damit verbunden unsere Vorliebe für das Fliegen, als eine der größten Klimasünden, die man als Einzelner begehen kann.
Das Elektroauto allein ist nicht die Lösung
In diesem Zusammenhang sieht er auch das Elektroauto äußert kritisch, denn beim „gesamten Hype um die Elektromobilität wird oft außer Acht gelassen, dass zwar die Innenstädte sauberer werden, es aber nichts bringt, wenn die Energie – wie etwa in China – in Kohlekraftwerken erzeugt wird (…).“ So plädiert der Autor dafür, den öffentlichen Nahverkehr attraktiver zu machen. Denn „diese Form der Mobilität ist zuverlässig, emittiert gemessen an der Anzahl der transportierten Personen weniger Schadstoffe als Autos.“
Daneben beschäftigt sich Hutter auch mit der Frage, was städtebaulich getan werden müsste, um das Leben in der Stadt bei zunehmend heißen Sommern, oder starken Regenfällen mit Überschwemmungen, zu gewährleisten und erträglich zu gestalten. Denn „der Wahn des ungebremsten Wachstums wird langfristig betrachtet die Städte in Zeiten des Klimawandels ungemütlicher und für die Gesundheit gefährlicher machen.“
Es lässt sich ja bereits heute beobachten, wie empfindlich Städte auf derartige Wetterextreme reagieren. Es ist erst ein paar Tage her, dass heftige Unwetter mit Stürmen, Hagel und Starkregen bundesweit, und gerade in den Städten, große Schäden verursacht haben. So schlägt der Autor unter anderem vor, die Dächer wahlweise weiß zu streichen, wie man es aus vielen südlichen Ländern kennt, oder zu begrünen. Auch das sogenannte urban gardening könnte, so Hutter, eine Möglichkeit sein, Städte resilienter zu machen. Letztlich wird aber eine Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen nötig sein, damit die Städte dem Klimawandel jetzt und in Zukunft gewachsen sind.
Unter dem Stichwort Vorsorge zeigt Claus-Peter Hutter, wie man sich als Privatperson auf den Katastrophenfall vorbereiten kann und das ist dann auch das Kapitel des Buches, in dem Hutter klar über das Ziel hinausschießt. „Vorbereitet sein“ ist für den Autor „eine Bürgerpflicht“ und so klärt er ernsthaft darüber auf, wie Pfeil und Bogen herzustellen sind, um im Fall der Fälle damit auf die Jagd zu gehen. Auch erfährt man, wie sich ein Kompass konstruieren lässt, man Fische fängt, Seife siedet oder Kerzen herstellt. Man sieht förmlich den Büroangestellten im Anzug vor sich, gerade noch am Computer sitzend, jetzt bewaffnet mit Pfeil und Bogen in den nächsten Wald reitend, um einen Hirschen zu erlegen.
Davon abgesehen ist das Buch des 1955 geborenen Autors eine sehr faktenreiche und sachlich fundierte Darstellung des Klimawandels und den damit einhergehenden Problemen. Darüber hinaus belässt es Hutter erfreulicherweise nicht bei den bloßen und teilweise deprimierenden Befunden, sondern liefert am Ende jedes Kapitels konkrete Handlungsvorschläge für Politik, Wirtschaft und jeden Einzelnen von uns.
Es besteht ein Zusammenhang zwischen Migration und Klimawandel
Am Ende seiner Auseinandersetzung mit den Folgen des Klimawandels weist Hutter dankenswerterweise darauf hin, dass ein direkter Zusammenhang zwischen Migration und dem Wandel der klimatischen Bedingungen in den Herkunftsländern besteht. „Fluchtgründe sind direkt und indirekt oft Klima-Gründe“ und allein in den kommenden dreißig Jahren werden „über 200 Millionen Küstenbewohner ihre Heimat verlieren, weil das Meer ihre Häuser zerstört, die Felder überschwemmt, Trinkwasserbrunnen versalzt.“
Diesen Zusammenhang zu betonen ist gerade in einer Zeit, in der sich immer mehr Ressentiments gegenüber Flüchtlingen aufbauen, ein zentraler Aspekt. Die sogenannte erste Welt als Hauptverursacher des Klimawandels kann nicht auf der einen Seite so weitermachen wie bisher und andererseits den Menschen, die vor den Folgen unseres Handelns fliehen, die Aufnahme verweigern. Wenn es so ist, dass zwischen Flucht und Klimawandel ein Zusammenhang besteht, und daran kann es kaum einen Zweifel geben, dann ist auch klar, dass das Problem der weltweiten Migration gerade erst begonnen hat. Wir wären demnach gut beraten, alles dafür zu tun, um den Klimawandel zu bremsen und in den betroffenen Ländern Bedingungen zu schaffen, unter denen die Menschen leben können. Der Soziologe Stephan Lessenich hat in seinem hervorragenden Buch Neben uns die Sintflut alles Wesentliche zu diesem Themenkomplex gesagt.
Hutters Buch versteht sich nach eigener Aussage als „Appell an die Verantwortlichen in Verwaltungen, Politik und Wirtschaft.“ Denn, so der Autor, „das Zeitfenster schließt sich. Vielleicht bleiben uns noch zehn oder zwanzig Jahre. Zehn oder zwanzig Jahre, in denen wir – wir alle! – zweierlei tun müssen. Wir müssen dafür sorgen, dass der Klimawandel sich nicht noch mehr verschlimmert. Und wir müssen lernen, uns auf die jetzt schon eintretenden Folgen einzustellen.“
Im besten Fall kann dieses Buch einen kleinen Beitrag dazu leisten.
Claus-Peter Hutter: Die Erde rechnet ab. Wie der Klimawandel unser tägliches Leben verändert. Ludwig Verlag, Mai 2018. 304 Seiten, 17 Euro